Rövershagen – Graal-Müritz – Geschichte

Vorgeschichte

Graal-Müritz stand immer etwas hinter den anderen mecklenburgischen Ostseebädern zurück. Warnemünde und Kühlungsborn konnten bereits im 19.Jahrhundert mit der Eisenbahn erreicht werden. Die Vorzüge von Graal-Müritz, zwischen einem ausgedehnten Waldgebiet und der Ostsee gelegen, hatten sich noch nicht genügend herumgesprochen, um einen gewinnbringenden Verkehr zu gewährleisten. So gab es erst zu Beginn des 20.Jahrhunderts erste Gedanken, Graal-Müritz auf der Schiene zu erreichen. Denn inzwischen hatte sich der Ort als Ostseebad soweit entwickelt, sodass zumindestens in den Sommermonaten ein einträglicher Verkehr zu erwarten war. Zuerst war daran gedacht, die Strandbahn Warnemünde – Markgrafenheide nach Graal-Müritz zu verlängern. Das hätte aber ein Übersetzen über die Warnow in Warnemünde bedingt und wurde daher verworfen.

Das nächste Projekt sah eine Schmalspurbahn mit 750 mm Spurweite vor. Sie wurde ebenfalls abgelehnt, da damit keine durchgehende Verbindung zu normalspurigen Strecken möglich gewesen wäre. Mitten in den Vorbereitungen für eine normalspurige Verbindung fiel der Beginn des Ersten Weltkrieges, wodurch das Projekt auf Jahre verschoben wurde. Erst 1920 wurde es wieder aufgegriffen und dabei ein Kapitalbedarf von 2 Mio. Mark ermittelt, bei dem keine Rendite zu erwarten war.

So kam das Projekt erst nach der Währungsstabilisierung 1924 wieder auf die Tagesordnung. Diesmal wurde ein Kapitalbedarf von 900. 000 RM ermittelt.

Angesichts der Bestrebungen der Stadt Ribnitz, eine Bahn nach Graal-Müritz zu bauen, wurde die Stadt Rostock aktiv. Auch die Gemeinde Graal-Müritz  selbst bevorzugte einen Anschluss von Rostock her. Zur Begründung des Projektes wurde in einem Antrag an das Reichsverkehrsministerium mitgeteilt, dass Graal-Müritz 1923 von 9 600 Badegästen (bei 902 Einwohnern) aufgesucht wurde. Mit dem „Postauto“ (der Kraftpost) wurden 1924 bereits 17 371 Personen in beide Richtungen befördert.

So wurde von der Stadt Rostock, den Gemeinden Graal-Müritz und Rövershagen, Rostocker Kaufleuten, der Firma Lenz und der Großen Berliner Straßenbahngesellschaft (die in Graal-Müritz 2 Heime besaß) das Kapital in Höhe von 900. 000 RM aufgebracht. Der Stadt Rostock war an dieser Bahn insofern gelegen, da damit die Holzabfuhr aus der der Stadt gehörenden Rostocker Heide wesentlich verbessert werden konnte.

Am 28.Februar 1925 wurde eine Gesellschaft gegründet, die den Namen „Mecklenburgische Bäderbahn“ erhielt.

In der „Landespolizeilichen Genehmigungsurkunde“ vom 3.März 1925 wurde die Radfahrmasse auf 8 t beschränkt und die Geschwindigkeit auf maximal 30 km/h festgesetzt. Die Aktiengesellschaft schloss am 28.April 1925 mit der Firma Lenz & Co einen Betriebsvertrag.

Bahn Nr.DR-Nr.BauartHerstellerBaujahrFabrik Nr.Bemerkung
21-Cn2tHagans1897343pr. T3
22-Cn2tHenschel18913457pr. T3
14191 61761'Ch2tHenschel193823726ELNA 2
14291 61771'Ch2tHenschel194124934ELNA 2

Bau, Eröffnung und weitere Entwicklung

Der Bau der 10,3 km langen Strecke (Gleislänge 12,8 km) in dem fast ebenen Gelände war nicht schwierig und konnte in vier Monaten beendet werden. Lediglich das kurze Stück Moor vor Graal-Müritz, beim späteren Haltepunkt Torfbrücke (später Ostseebad Graal-Müritz Schwanenberg), musste berücksichtigt und eine Brücke über den Stromgraben gebaut werden.

Die ersten Züge sollen bereits vom 28.Juni 1925 an gefahren sein, um die Anreise der Urlauber zu erleichtern. Offizielle Eröffnung war am 1.Juli 1925 unter Beteiligung Rostocker Bürger, Einheimischer und der Badegäste.

Jahrlang blieb es bei acht Zugpaaren im Sommer und vier im Winter. Den Krieg überstand die Bahn ohne Schäden, und nach 1945 entging sie der Demontage, weil die sowjetische Armee Heime in Graal-Müritz als Lazarett benutzte. Am 1.April 1949 übernahm die DR die Betriebsführung und Nutzung der Bahn. Der Personenverkehr stieg weiter an: Vor dem Zweiten Weltkrieg fuhren täglich zwei Zugpaare, danach waren es acht. Zu den Badegästen war der Berufsverkehr von und nach Rostock gekommen. In den 1950er Jahren setzte die Reichsbahndirektion Schwerin an den Wochenenden direkte Züge von Schwerin bzw. Rostock nach Graal-Müritz ein, doch seit Mitte der 1960er Jahre gingen die Reisendenzahlen zurück, was an der parallelen Autobuslinie Rostock – Graal-Müritz lag, aber auch am zunehmenden Individualverkehr. Trotzdem erfreute sich die Strecke immer noch eines regen Personenverkehrs.

Wie auf anderen Nebenbahnen bei der DR üblich, wurde die Instandhaltung des Oberbaus vernachlässigt. Der angestrebte Verkehrsträgerwechsel mit anschließender Streckenstillegung scheiterte am Einspruch der militärischen Nutzer. Im Gegenteil: 1973/74 msste der Oberbau erneuert werden. Im Sommerfahrplan fuhren die Züge, im Winter Autobusse als Schienenersatzverkehr. Systematisch wurden die Reisenden von der Schiene weggezogen und nichts mehr in die Strecke investiert. Dennoch: Der „angebotsorientierte“ Fahrplan 1993/94 sieht zwölf Zugpaare vor. Wenn die Fahrgäste für diese Strecke wieder gewonnen werden sollen, muß investiert werden: Elektrifizierter S-Bahn-Verkehr von Rostock nach Graal-Müritz, parallel dazu ein Museumsbahnbetrieb mit Dampflokomotiven wären sinnvoll gewesen. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt. 1998 wurde die Strecke aufgrund von Oberbauschäden sowie etlichen Langsamfahrstellen von teilweise nur noch 10 km/h betrieblich gesperrt. Seit dem verkehrten zwischen Rövershagen und Graal-Müritz Busse als Schienenersatzverkehr.

Bilder aus den Zeiten des Verkehrs vor dem Streckenumbau:

Dennoch gab es immer wieder Stimmen, die eine Reaktivierung forderten. Dies wurde aber, vor allem durch den Protest der Gemeinde Rövershagen, immer wieder verhindert. Letztendlich konnte jedoch im Jahr 2003 die Gemeinde Graal-Müritz erreichen, dass die Strecke saniert wurde. Insbesondere einer nicht ganz geringen finanziellen Beteiligung des Ortes ist die Reaktivierung zu verdanken. Die Bauarbeiten begannen im September 2004 und nach 3 Monaten Bauzeit wurde die Strecke zum Fahrplanwechsel im Dezember 2004 freigegeben. Zu diesem Anlass verkehrte ein historischer Dampfzug der Schweriner Eisenbahnfreunde für einen Tag auf der Strecke im Pendelbetrieb. Von den gesamten Bauarbeiten sowie der Eröffnungfahrt gibt es hier eine umfangreiche Bilderdokumentation. Der Bahnhof Graal-Müritz wurde um ca. 400 m in Richtung Dorfmitte versetzt und zusätzlich mit einer Busspur ausgestattet, so dass seitdem bequemes Umsteigen von Zug zum Bus möglich ist. Desweiteren wurde der Haltepunkt Graal-Müritz Schwanenberg in Rostock Torfbrücke umbenannt. Im Jahr 2006 wurde zusätzlich der Bahnhof Graal-Müritz Koppelweg eröffnet.

Hinweis: Hier kommen Sie zur Bilderdoku vom Streckenumbau

Streckenverlauf und Anlagen

Vom Bahnhof Rövershagen an der Hauptbahn Rostock – Stralsund zweigt die Strecke im Linksbogen nach Nordwesten ab, überquert sogleich die Bundesstraße 105 und führt in die Rostocker Heide zum Haltepunkt Hinrichshagen. Es folgt die Holzverladestelle, die nach 1945 erweitert wurde. Von hier an ist die Strecke streng nach Norden gerichtet, erreicht am Forsthaus den Haltepunkt Georg-Schneise und verläuft parallel zur Straße Rövershagen – Graal-Müritz. Vom Haltepunkt Ostseebad Graal-Müritz Schwanenberg an wendet sich das Gleis nach Nordosten und verlässt den Wald. Bald darauf ist der Bahnhof Ostseebad Graal-Müritz erreicht.

Er liegt zwar an der Straße, aber abseits vom Ortskern, weil ursprünglich die Bäderbahn über Müritz Ost, Neuhaus, Dierhagen, Ahrenshoop bzw. Born und Wiek nach Prerow verlängert werden sollte. Aus Rentabilitätsgründen (das Fischland war noch nicht „entdeckt“) blieb es beim Projekt.

In Graal-Müritz stehen ein verhältnismäßig großes Empfangsgebäude mit Diensträumen, Gaststätte und Wohnungen, ein Güterschuppen und ein zweiständiger Lokschuppen mit Kohlebansen. In den 1960er Jahren wurde bei Rövershagen eine aus drei Gleisen bestehende Anschlussbahn für ein Mischfutterwerk errichtet. Während die Haltepunkte Hinrichshagen und Georg-Schneise nur eine einfache Unterstellmöglichkeit besitzen, erhielt Ostseebad Graal-Müritz Schwanenberg ein Gebäude mit Warteraum und Dienstwohnung.

Fahrzeuge

Zur Eröffnung setzte die Firma Lenz zwei ältere Lokomotiven ein, vermutlich kamen sie von anderen Lenz-Bahnen. Sie trugen die Nummern 21 und 22. Zwei Personenwagen waren gebraucht gekauft und bei der Butzbach-Licher Eisenbahn aufgearbeitet worden. Dazu kam ein Gepäckwagen. Die drei Wagen wurden unter den Nummern 23, 24 und 51 geführt. Später kamen der Personenwagen 22, für den Gepäcktransport der gedeckte Güterwagen 101 und ein offener Güterwagen für den Kiestransport hinzu. 1941 kaufte die Bahn bei der Triebwagen- und Waggonfabrik Wismar einen zweiachsigen Durchgangswagen III. Klasse in der gleichen Ausführung, wie er für die Kleinbahn Frankfurt am Main – Königstein geliefert worden war, mit folgenden Abmessungen: Länge über Puffer 12 937 mm, Kastenlänge 11 700 mm, Breite 3 080 mm, Raddurchmesser 1 000 mm, Höhe über Dach 3 920 mm, 60 Sitzplätze, vier Klappsitze, 12,7 t Masse.

Die Lokomotive 22 ist 1940 in der Werkstatt der Stralsund-Tribseer Eisenbahn zerlegt worden. Der Verbleib von Nummer 21 ist unbekannt. Am 19.März 1938 wurde die Lokomotive 141 in Dienst gestellt. 1941 folgte die baugleiche Lokomotive 142. Beide wurden als 91 6176 und 91 6177 von der DR übernommen. Sie fuhren bis zum Ende der 1950er Jahre und wurden von der Baureihe 91 abgelöst, die in Graal-Müritz stationiert war. Vereinzelt kamen Lokomotiven der Baureihen 3810-40 und 57 vor Sonderzügen auf die Strecke, nach der Auflösung der Dampftraktion waren es die Diesellokomotiven der Baureihen V 20,V 23,V 60 (heute: 346), V100 (heute: 201). Kurz vor der betrieblichen Einstellung des Verkehrs fuhren auf der Strecke die Triebwagen der Baureihe 628. Seit der Reaktivierung der Strecke sind auf diesem Abschnitt die Triebwagen der Baureihe 642 unterwegs. Es bestehen auch durchgehende Zugpaare von Graal-Müritz nach Wismar.

WagenartGattg.Nr.SitzplätzeBaujahrZugangMasse in t
PersonenwagenCCi21701910192716,9
Ci22401925192513,2
Ci23401910192612,3
Ci24401910192611,5
GepäckwagenPw51-1925192512,8
GüterwagenG101-191019259,4
O251-190019257,8
Bahnmeisterwagen-1---0,5

Quelle:

Archiv deutscher Klein- und Privatbahnen
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

Erich Preuß
Berlin: Transpress, 1994